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ViFE – Virtueller Forschungsverbund Edirom

Luxus oder Basis? Zusammenarbeit über Projektgrenzen hinweg

Wie Niko gleich am Anfang seiner schönen Nachlese zur diesjährigen ViFE-Klausurtagung zurecht betont, ist der Virtuelle Forschungsverbund Edirom inzwischen eine ziemlich große und ziemlich dezentrale Forscher:innengruppe. Stellt man die unmöglich zu beantwortende Frage, was der ViFE eigentlich ist, bringen einen diese beiden Aspekte einer Antwort zumindest schon ein gutes Stück näher: mehr als 30 Persönlichkeiten, die in verschiedensten Funktionen und mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen, Backgrounds und Mindsets – vom Hardcore-Musikwissenschaftler bis zur programmierenden Nerd:in – in mindestens einem Dutzend ziemlich verschiedener Projekte arbeiten. So weit so gut. Das Entscheidende ist aber das, was bei Niko zwischen den Zeilen steht, nämlich dass hier mit ziemlich großem Einsatz etwas geschieht, was in der DNA drittmittelgestützter, projektförmig parzellierter und unter strenger Rationierung des allerwichtigsten Gutes ‚Zeit‘ gemanagte Forschung eigentlich gar nicht vorgesehen ist: Zusammenarbeit. Einfach so, ins Offene.

Raum zu bieten für wissenschaftliche Zusammenarbeit um der Wissenschaft selbst willen ist indes eine ureigene Idee der ‚Humboldt’schen‘, als freier Zusammenschluss der Gelehrten verfassten Universität. Überspitzt könnte man also behaupten: Ausgerechnet der aus den befristeten und spezialisierten Projekten bestehende, als akademische Struktur wohl recht exotische „Virtuelle Forschungsverbund Edirom“ realisiert etwas, für das man intuitiv wahrscheinlich eher die universitären Grundstrukturen zuständig sehen würde. (Dass das dort bisweilen auch nicht ideal funktioniert, steht auf einem anderen Blatt.) Eine ganz wichtige Komponente ist dabei, dass für die Zugehörigkeit zum ViFE die Laufzeiten befristeter Arbeitsverträge und wechselnde institutionelle Zuordnungen keine Rolle spielen: Gerade auch ehemalige Detmold-Paderborner Forscher:innen bleiben ‚drin‘ (in der Gruppe) und somit auch ‚dran‘ (an der Entwicklung und Nutzung avancierter digitaler Methoden in der Musikphilologie).

Wenn uns „ViFE-en“ von Außen ab und zu rückgemeldet wird – etwa bei und nach der Joint MEC and TEI Conference im letzten Sommer gab es solch schmeichelhaftes Feedback mehrfach – , dass der Detmolder spirit eine besondere Atmosphäre ausstrahle, dann bezieht sich das offenbar auf diesen Umstand und bringt vielleicht sogar eine gewisse Sehnsucht nach einer wissenschaftlichen ‚heilen Welt‘ zum Ausdruck. Natürlich ist auch der ViFE weit davon entfernt, ideal oder idyllisch zu sein; natürlich ‚menschelt‘ es hier wie überall sonst auch; natürlich sind auch hier alle ständig im Stress und müssen mit höchster Priorität auf die eigenen Arbeiten, Aufgaben und Ziele schauen; natürlich sehen die Projektarbeitspakete eigentlich keine Zeit fürs Vorbereiten und Durchführen der Edirom Summer School in ganz großer Runde (wieviele Personenstunden das ‚verbraucht‘!) und für die Weekly ViFE Meetings (nochmals jede Woche bis zu 30 PS!) vor, und eher selten sind Projektreisemittel für mehrtägige jährliche ViFE-Klausurtreffen bestimmt, sodass sich die Uni-Verwaltung manchmal schwer tut mit Genehmigungen und Abrechnungen und die angenervten Sonderbegründungen der Projektleitungen beinahe argwöhnisch prüft.

Hier allerdings lohnt es sich, einmal einzuhaken: Sind solche Freiräume für projektübergreifende Kooperation wirklich bloß ein ‚Nice-to-have‘, womöglich gar ein ‚Luxus‘, den man sich ‚in Detmold‘ halt irgendwie leisten kann? Ich vermute, es ist eine (durchaus etwas subversiv gemeinte) ViFE-Grundidee, diese Frage einfach mal umzudrehen: Sind Kooperation und ständiger fachlicher Austausch, ist die Bereitschaft, Wissen zu teilen und sich gegenseitig zu helfen nicht die Basis, und die Einzelprojekte sind dann die ‚Extras‘ und ‚Nice-to-haves‘, die auf dieser Basis möglich sind?

Wie auch immer. Sehr viel nüchterner hat der ViFE solche Fragen, die latent ständig mitschwingen und erwartbarerweise im Zuge der Selbstvergewisserung leicht stuhlkreisartig immer mal an die Oberfläche kommen – zumal wenn ein eingeschworenes Bündnis plötzlich so rapide wächst wie der ViFE in den letzten dreieinhalb Jahren – , im Frühsommer 2023 gemeinsam für ein bei der TEIMEC2023 präsentiertes ‚Poster in eigener Sache‘ aufbereitet. Ausgehend von der naheliegenden Idee, kaleidoskopartig einen Überblick über ViFE-Aktivitäten zu bieten, mauserte sich das Poster dann (wie so oft in letzter Minute) doch noch zu einem halbwegs geschlossenen thematischen Beitrag zur Frage „Wie kann man projektübergreifende Zusammenarbeit und Wissensaustausch ‚trotzdem‘ organisieren und welche Pfeiler geben im Falle des ViFE einem solch unwahrscheinlichen Konstrukt den nötigen Halt?“ Das Poster ist es vielleicht wert, der ewigen Ruhe in den Untiefen des Open-Access-Repositorien-Universums mittels Blogbeitrag nochmals für einen Moment entrissen zu werden. Jedenfalls wäre es durchaus im ViFE’schen Geiste, wenn Nachahmer sich ermutigen lassen, in vermeintlich ‚projektfremde‘ akademische Strukturen zur Kooperation jenseits reiner Forschungsfinanzierungs- und Berichtslogiken selbstbewusst zu investieren. Hier ist es:

Five Aspects of ViFE Poster Das gemeinsame Poster des ViFE auf der TEIMEC 2023.